Die Einkaufsfunktion spielt in Organisationen eine strategische Rolle. Die Geschäftsleitung gibt entsprechend den Managern und Einkaufsleitern einen Kurs vor, damit sie an der Transformation des Unternehmens mitwirken. Von der Wertschöpfung bis zur Digitalisierung gibt es viele Herausforderungen zu meistern. Diese strategischen Herausforderungen bestimmen per se die "Roadmaps" der Einkaufsfunktion und tragen dazu bei, den Erfolg der Organisationen langfristig zu sichern.
Wertschöpfung
Heutzutage ist Flexibilität der Leitgedanke für eine erfolgreiche Strategie, um unvorhergesehene Ereignisse und deren Folgen bewältigen zu können. Die gegenwärtige Lage macht nur noch deutlicher, wie wichtig es ist, das Geschäftsmodell wie auch die Architektur der Lieferkette neu zu gestalten.
Deshalb muss die Einkaufsfunktion entschieden auf die Wertschöpfung für alle Beteiligten (interne Kunden, Partner usw.) ausgerichtet werden. Dieser „businessorientierte“ Fokus muss in konkrete Maßnahmen übersetzt werden:
Die Akzeptanz innovativer Lösungen im Unternehmen fördern, z.B. durch eine engere Zusammenarbeit mit den Lieferanten;
Zur Beschleunigung der Markteinführung neuer Produkte beitragen, z.B. über das Sourcing von Komponenten der neuesten Generation;
Verstärktes Engagement beim Erschließen neuer Märkte, insbesondere durch eine stärkere Beteiligung vonseiten des Verkaufsteams.
Beherrschung von Risiken
Seit einigen Jahren hat sich der Begriff VUCA durchgesetzt, um das Unternehmensumfeld zu beschreiben:
Volatility (Volatilität);
Uncertainty (Ungewissheit);
Complexity (Komplexität);
Ambiguity (Ambiguität).
Zu den strategischen Herausforderungen für den Einkauf gehört daher auch die Risikoprävention, insbesondere die Vermeidung von Reputations- und Lieferkettenrisiken. In diesem Zusammenhang sei an die Korrelation zwischen dem Börsenkurs eines Unternehmens und z.B. dem Verhalten der Lieferanten erinnert. Die Einkaufsfunktion ist in dieser Hinsicht ein Garant für die Integrität und den Ruf eines Unternehmens.
Sie muss Risiken wie Unterbrechungen der Lieferkette, Nichteinhaltung von Spezifikationen, Cybersicherheit, Nichteinhaltung gesetzlicher Richtlinien, Nichteinhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsgrundsätzen usw. ständig bewerten und möglicherweise abwenden. Dazu muss sie strenge Richtlinien für die Auswahl und Bewertung von Lieferanten einführen, indem sie regelmäßige Audits durchführt und verantwortungsbewusste Praktiken fördert.
Wirtschaftliche Leistung
Die Einkaufsfunktion ist zwar auf die Erschließung neuer Geschäftspotenziale und den Schutz des guten Rufs ausgerichtet. Dennoch wird von ihr erwartet, dass sie auch bei ihrer klassischen Aufgabe - der wirtschaftlichen und finanziellen Leistung - hervorragende Leistungen erbringt.
Denn die Bewältigung all dieser strategischen Herausforderungen ist von einer gesunden und soliden finanziellen Basis und der Unterstützung der Aktionäre abhängig. Die Geschäftsleitung erwartet daher von der Einkaufsfunktion, dass sie positiven Einfluss auf das Betriebsergebnis und den Cashflow nimmt.
Die Senkung der Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership) steht weiterhin im Mittelpunkt der Aufgaben der Einkaufsfunktion. Denn ihr Daseinszweck gründet auf diesem Know-how, und ihre Fähigkeit, strategisch Einfluss zu nehmen, beruht nach wie vor auf ihrem Beitrag zur wirtschaftlichen Leistung des Unternehmens.
Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR)
Heute muss die Wertschöpfung auch nachhaltig sein. Aus diesem Grund befasst sich die Einkaufsfunktion mit den strategischen Herausforderungen im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (CSR), insbesondere mit der Verringerung des CO2-Fußabdrucks. Und das aus gutem Grund: Scope-3-Emissionen, die überwiegend aus den Treibhausgasemissionen (THG) der Lieferanten stammen, machen zwischen 80 und 90% der durch die Tätigkeiten der Unternehmen verursachten Gesamtemissionen aus (McKinsey & Company, Buying into a more sustainable value chain, 2021).
Was ist Scope 3?
Das vom World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) und dem World Resources Institute (WRI) initiierte THG-Protokoll hat drei Anwendungsbereiche für die Erstellung einer CO2-Bilanz eingeführt: Scope 1, 2 und 3.
Scope 3 bezeichnet alle indirekten Treibhausgasemissionen, die nicht mit Energie in Verbindung stehen. Dies sind Emissionen, die zwar aus den Aktivitäten einer bestimmten Organisation resultieren, aber aus Quellen stammen, die sich im Besitz oder unter der Kontrolle eines anderen Unternehmens befinden.
Obwohl die Berechnung dieser speziellen Scope-3-Emissionen für viele Organisationen noch ein komplexes Thema ist, bewegen sich die Verantwortlichen der Einkaufsabteilungen allmählich in diese Richtung. Die Einführung einer verantwortungsvollen Einkaufspolitik und die Einbeziehung von ökologischen, gesellschaftlichen und ethischen Kriterien in Ausschreibungen gewinnen an Popularität.
Die Digitalisierung der Einkaufsfunktion
Die digitale Transformation kann schließlich als Hebel zur Bewältigung all dieser strategischen Herausforderungen beitragen. Dies hat bereits mit der Digitalisierung der Einkaufsprozesse (und insbesondere der Procure-to-Pay- oder sogar Source-to-Pay-Prozesse) begonnen, die eine schnelle Kapitalrendite bietet. Die Hauptziele eines solchen Vorgehens bleiben die Optimierung der Prozesse (d.h. mehr Effizienz, Einfachheit und Transparenz) sowie die Senkung der Kosten und die Verbesserung des Risikomanagements.
Heute setzen Unternehmen verstärkt auch auf die Digitalisierung anderer Phasen des Einkaufsprozesses, so zum Beispiel:
Analyse der Daten;
Lieferantenbeziehungsmanagement;
Management des Lebenszyklus von Verträgen;
Steuerung und Überwachung der Leistung.
Langfristig werden sie sich zunehmend auf neuartige Anwendungsfälle konzentrieren, die mit anderen strategischen Herausforderungen verbunden sind, wie z.B. die Rückverfolgbarkeit der Lieferkette oder CSR.
Parallel dazu bewirkt auch die Einführung neuer Technologien weitreichende Veränderungen. Durch die Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen trägt Künstliche Intelligenz beispielsweise zur Verbesserung des gesamten Einkaufsprozesses bei, vom Sourcing der Lieferanten bis hin zur Rechnungsstellung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einkaufsfunktion aufgefordert ist, über ihre traditionelle Rolle hinauszugehen, um an der notwendigen Transformation des Unternehmens stärker mitzuwirken. Dazu müssen die Einkaufsverantwortlichen Solidität, Flexibilität und Effizienz miteinander kombinieren, um ihre Position auf strategischer Ebene zu festigen. Dennoch kann die strategische Leistung nur dann vollständig sein, wenn sie auch die gesellschaftliche Dimension ihrer Aufgabe berücksichtigt. So sind die strategischen Herausforderungen der Einkaufsfunktion eng mit den Zielen der Differenzierung und der Wettbewerbsfähigkeit jedes Unternehmens verbunden.