Während Nachhaltigkeit und Kostensenkung im Mittelpunkt des Interesses von Unternehmen stehen, stellt das Management von Produktretouren eine große Herausforderung dar. Mithilfe der Umkehrlogistik, auch Reverse Logistics genannt, kann man dieses Problem in eine Chance umwandeln. Durch die Einführung effizienter Praktiken der Umkehrlogistik können Unternehmen nicht nur ihre Umweltbilanz verbessern, sondern auch ihre Rentabilität steigern.
Umkehrlogistik: Ursprung und Definition
Mit dem Aufschwung des E-Commerce haben Produktretouren zugenommen. In den europäischen Ländern schwankt die Rücksendequote von online gekauften Produkten bei Erwachsenen (25-64 Jahre) zwischen 7 und 15%. Erwartungsgemäß sind diese Zahlen bei jungen Erwachsenen (18-24 Jahre) deutlich höher (Statista, Average product return rates among digital shoppers in Europe, 2021). Auch wenn dies eine klare wirtschaftliche und ökologische Herausforderung darstellt, sollte die Kundenzufriedenheit nicht außer Acht gelassen werden. Heutzutage wünschen sich die Verbraucher eine einfache und klare Retourenpolitik.
Das Management dieser Warenströme stellt daher eine Herausforderung für die Unternehmen und insbesondere für bestimmte Branchen (Einzelhandel, Mode und Bekleidung, Elektronik usw.) dar. Angesichts dessen haben sie begonnen, sich näher mit dem Konzept der Umkehrlogistik zu beschäftigen.
Definitionsgemäß bezeichnet Umkehrlogistik den Prozess der Rückführung von Waren in der Lieferkette von ihrem endgültigen Bestimmungsort (dem Verbraucher) zu ihrem Ursprungsort (dem Einzelhändler, Lieferanten oder Hersteller). Das weltweit führende Transport- und Logistikunternehmen DHL erläutert, was darunter zu verstehen ist: „Es handelt sich um die logistischen Aktivitäten nach dem ursprünglichen Verkauf eines Produkts, um potenziell Wert aus ihm zu ziehen oder seinen Lebenszyklus zu beenden. Das umfasst den physischen Transport der Waren sowie organisatorische und administrative Elemente wie die Verwaltung von Retouren, Umtausch und Mahnungen.“
Dies wird zwar manchmal mit dem Kundendienst in Verbindung gebracht, beinhaltet jedoch eine ganze Reihe von Aktivitäten, die viel weiter gefasst sind, wie z.B. Sammlung, Sortierung, Garantieabwicklung, Reparatur, Aufarbeitung, Wiederaufbereitung, Wiederverkauf, Abfallverwertung, Recycling oder auch Ausschussmanagement.
Vorteile der Umkehrlogistik
Die Umkehrlogistik bietet als Teil der Kreislaufwirtschaft mehrere Vorteile, die auf die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) abgestimmt sind.
Den Umsatz steigern
Zuallererst kann die Umkehrlogistik den Umsatz eines Unternehmens ankurbeln. Eine unkomplizierte Retourenabwicklung bleibt ein wichtiger Einflussfaktor bei der Kaufentscheidung der Verbraucher. Die Flexibilität, die eine gute Retourenpolitik bietet, trägt also dazu bei, potenzielle Kunden anzusprechen, Kunden zu binden und somit den Umsatz zu steigern.
Neue Perspektiven erschließen
Durch die Umkehrlogistik kann das Unternehmen den wirtschaftlichen Wert der retournierten Produkte wiederherstellen. Dann ist es möglich, neue Lösungen für wiederverwendete Materialien zu finden oder neue Märkte zu erschließen.
Seine Umweltbilanz verbessern
Da die Umkehrlogistik die Wiederverwendung von Produkten fördert und gleichzeitig das Abfallaufkommen verringert, spielt sie auch eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens. Indem das Unternehmen verhindert, dass retournierte Produkte einfach entsorgt werden, kann es seinen Verbrauch an Primärrohstoffen und Energie senken.
Die Lagerverwaltung verbessern
Schließlich ist die Umkehrlogistik auch gleichbedeutend mit einer besseren Lagerverwaltung im Unternehmen, insbesondere weil Überbestände an Altprodukten beschränkt werden.
Letztendlich wirken sich all diese Elemente auf die Wettbewerbsfähigkeit, aber auch auf das Image des Unternehmens bei den Verbrauchern aus.
Einige Kennzahlen:
Der weltweite Markt für das Recycling von Elektronikprodukten wird für das Jahr 2022 auf 39,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Es soll bis 2030 auf 110 Milliarden US-Dollar anwachsen, bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 13,6% (Global Industry Analysts, Inc, Electronics Recycling: Global Strategic Business Report, 2023)
In Kombination mit intelligenten Robotern erreicht künstliche Intelligenz eine Genauigkeit von bis zu 98% beim Sortieren von Materialien, von Plastikverpackungen bis hin zu Bauschutt (Ellen MacArthur Foundation, Artificial intelligence and the circular economy: AI as a tool to accelerate the transition, 2019).
Bewährte Verfahren in der Umkehrlogistik
Um ein effizientes, kostengünstiges und nachhaltiges Netzwerk für die Umkehrlogistik aufzubauen, können Unternehmen auf verschiedene bewährte Verfahren zurückgreifen.
Rücksendungen analysieren
Der erste Schritt besteht darin, die Ursachen sowie den Bedarf in Bezug auf Rücksendungen zu untersuchen. So ist jedes Unternehmen in der Lage, seine Prozesse (Verfahren, Modalitäten, Verpackung usw.) anzupassen, um die Betriebskosten zu senken.
Bearbeitung optimieren
In einem zweiten Schritt sollte ein Bereich für die Annahme, Prüfung und Lagerung der retournierten Waren vorgesehen werden. Dies erleichtert die Kontrolle und das Tracking dieser Waren und damit die Entscheidung für die beste Option (Wiederverkauf, Reparatur, Recycling usw.) in Punkto Rentabilität.
Auf Automatisierung setzen
Es ist auch möglich, verschiedene Prozesse in Bezug auf die Handhabung, den Transport und die Kontrolle der Produkte zu automatisieren oder sogar zu robotisieren. Dank neuer Technologien müssen die Mitarbeiter die Produkte nur noch scannen und durch die Qualitätskontrolle laufen lassen, damit sie anschließend automatisch gelistet und erfasst werden. Dies steigert die Produktivität und verringert das Risiko von Fehlern oder Verlusten.
Leistung auslagern
Einige auf Logistik spezialisierte Unternehmen übernehmen solche Leistungen im Auftrag anderer Unternehmen. Da sie über das Fachwissen und die passende Infrastruktur verfügen, können sie ihren Kunden helfen, an Flexibilität zu gewinnen und gleichzeitig die Betriebskosten zu senken.
Natürlich ist die beste Strategie der Umkehrlogistik immer noch die komplette Vermeidung, denn das wäre gleichbedeutend mit perfekter Kundenzufriedenheit und robusten Recyclingkreisläufen. Das Management von Produktretouren gehört jedoch tatsächlich zum Alltag der Supply Chain. Unternehmen sollten dies als eine einmalige Gelegenheit begreifen, sich zu differenzieren, indem sie ihr Geschäftsmodell zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung überdenken.
Laden Sie unser Whitepaper „Einkaufspolitik und CSR“ herunter.