Der Einkauf ist ein strategischer Hebel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Differenzierung und zur Wertschöpfung in Unternehmen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, die Einkaufsleistung nicht nur zu bewerten, sondern sie vor allem auch zu verbessern und aufzuwerten. Die Einkaufsleistung beschränkt sich nicht nur auf die Senkung der Kosten, sondern ist heute beispielsweise auch ein Indiz für eine robuste Lieferkette oder die Zufriedenheit der internen Kunden. Und um diese facettenreiche Leistung richtig zu steuern, gilt es, solide Strategien zu entwickeln und relevante Indikatoren festzulegen.
Was bedeutet Einkaufsleistung?
Die Einkaufsleistung bezeichnet die Wirksamkeit und Effizienz der Ausgaben, die von der Einkaufsabteilung innerhalb einer Organisation gesteuert werden. Mit anderen Worten: Es geht um die Fähigkeit, qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen zum bestmöglichen Preis zu erhalten.
Die Messung der Einkaufleistung ist wichtig, damit die internen und externen Stakeholder (Geschäftsleitung, Geschäftsfunktionen, Lieferanten usw.) über sämtliche Informationen verfügen, damit sie den Nutzen der Einkaufsfunktion verstehen, Verbesserungsbereiche identifizieren und letztlich ihre strategische Position innerhalb des Unternehmens festigen können.
Um die Einkaufsleistung zu messen, werden natürlich Daten herangezogen, die dazu dienen, zuvor festgelegte Leistungsindikatoren zu füttern. Diese KPIs werden dann mithilfe von Dashboards verständlich und visuell dargestellt. So wird die Einkaufsleistung im gesamten Unternehmen sichtbar.
Die fünf großen Dimensionen der Einkaufsleistung
Lange Zeit beschränkte sich die Einkaufsleistung nur auf den wirtschaftlichen Aspekt: Kostensenkung, Investitionsrendite usw. Mittlerweile umfasst dieser Begriff jedoch weitere Bedeutungen: Zwar ist der wirtschaftliche Aspekt noch immer enthalten, doch der Begriff wird nun auch mit den Lieferanten, dem Serviceniveau, der Effizienz der Prozesse oder den Personalressourcen in Verbindung gebracht.
1. Die wirtschaftliche Leistung
Der erste Schwerpunkt liegt auf der wirtschaftlichen Leistung. Dies betrifft natürlich die klassischen Maßnahmen zur Erzielung von Kosteneinsparungen. Darunter fallen Strategien, die unter den Einkäufern bestens bekannt sind, wie z.B. Vertragsverhandlungen, um Sonderkonditionen zu erhalten, Ausschreibungen, um neue Lieferanten zu finden, die Einkaufsbündelung, um Größenvorteile zu erzielen usw.
Heute erstreckt sich die wirtschaftliche Leistung auch auf die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership). Das bedeutet, dass die Kosten einer Ware oder Dienstleistung über deren gesamten Lebenszyklus hinweg berechnet werden. Dazu gehört natürlich der Einkaufspreis, aber auch alle anderen Kosten: Anschaffung, Besitz, Wartung, Nutzung, Minderqualität, Entsorgung usw.
Welche KPIs?
Beschaffungseinsparungen;
Investitionsrendite der Einkaufsleitung;
Beitrag der Einkaufsabteilung zum Einkauf insgesamt;
Deckungsgrad.
Wie berechnet man seine Beschaffungseinsparungen?
Um die wirtschaftliche Leistung der Einkaufsfunktion zu bewerten, werden in der Regel die Einsparungen über ein Jahr hinweg berechnet. Dies dient der Berichterstattung, aber auch der Kommunikation über den Beitrag der Einkaufsfunktion zum Unternehmenserfolg. Es gibt im Wesentlichen drei unterschiedliche Berechnungsmethoden.
1. Einsparungen bei einer bekannten Ausgabe
Diese Formel gilt für wiederkehrende Einkäufe, für die man einen Referenzpreis hat (zuletzt berechneter Preis, letztes/erstes Angebot usw.). Man erhält ihn, indem man die Differenz berechnet zwischen dem tatsächlich gezahlten Preis und dem historischen Preis, multipliziert mit dem prognostizierten Verbrauchsvolumen.
Einsparungen bei einer bekannten Ausgabe = (Referenzpreis - tatsächlich gezahlter Preis) x geschätztes Volumen
2. Einsparungen bei einer geschätzten Ausgabe
Diese Methode wird eher bei Beschaffungsvorhaben angewandt, z.B. bei der Auslagerung von Aufgaben. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es keinen Referenzwert gibt. Die empfohlene Methode beruht dann auf dem Vergleich zwischen dem tatsächlich für die Dienstleistung gezahlten Preis und einem Referenzwert für diese Art von Aufgabe. Dieser Referenzwert kann beispielsweise aus einer Marktstudie stammen.
Einsparungen bei einer geschätzten Ausgabe = (Referenzpreis - tatsächlich gezahlter Preis) x geschätztes Volumen
3. Einsparungen bei einer Budgetvorgabe
Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es auf die wirtschaftlichen Mittel des Unternehmens zugeschnitten ist, kann jedoch mit Blick auf die Marktpreise unrealistisch sein. Die Einsparungen berechnen sich hier aus der Differenz zwischen dem ursprünglich bereitgestellten Budget und dem prognostizierten Volumen, multipliziert mit dem tatsächlich erzielten Einkaufspreis.
Einsparungen bei einer Budgetvorgabe = Budget - (geschätztes Volumen x tatsächlich gezahlter Preis)
2. Die Lieferantenleistung
Der zweite Schwerpunkt ist die Leistung der Lieferanten. Dies umfasst in der Regel die Einhaltung ihrer Verpflichtungen in Bezug auf die Qualität der Produkte und/oder Dienstleistungen, die Kosten sowie die Fristen für die Bearbeitung von Bestellungen und die Lieferung.
Dies kann auch Dienstleistungen mit Mehrwert umfassen, die Lieferanten anbieten können. Dabei kann es sich um ihre Fähigkeit handeln, die Einkaufsteams zu unterstützen, relevante Informationen zu teilen usw. All diese Aspekte ermöglichen es den Einkaufsteams, ihre Ausgaben besser zu kontrollieren oder den Markt besser zu verstehen.
Welche KPIs?
Korrelation zwischen Kosten und Wert;
Nichteinhaltung durch Lieferanten;
Servicegrad der Lieferanten.
3. Die Serviceleistung für die Nutzer
Der dritte Schwerpunkt liegt in der Beurteilung des Serviceniveaus, welches der Einkauf für die internen Kunden des Unternehmens erbringt. Dies äußert sich in der zufriedenstellenden Beantwortung von Beschaffungsanfragen, einer gewissen Reaktionsschnelligkeit, konkreter Hilfe bei der Verbesserung von Spezifikationen und der Förderung von Innovationen usw.
Welche KPIs?
Rate der außerhalb von Verträgen getätigten Einkäufe;
Zufriedenheit der internen Kunden.
4. Die Leistung der Prozesse
Der vierte Schwerpunkt befasst sich mit der Leistung der Einkaufsprozesse und den bewährten Praktiken. Dies geschieht durch vereinfachte Einkaufsprozesse, die Digitalisierung der Transaktionen über E-Procurement-Lösungen, die Zusammenlegung von Daten in einem speziellen Informationssystem usw.
Welche KPIs?
Digitalisierungsgrad der Transaktionen;
Dauer des Einkaufsprozesses.
5. Die Leistung der Personalressourcen
Der fünfte und letzte Schwerpunkt betrifft die Entwicklung der Einkaufsteams. Hierzu zählen die Schulung und der Aufbau von Kompetenzen bei den Einkäufern, der Einstellungsprozess, das Anerkennungssystem usw.
Welche KPIs?
Anteil der Einkäufer/Einkäuferinnen, die eine Schulung absolviert haben;
Verbleibquote;
Fluktuation.
Die Einkaufsleistung von morgen
Angesichts einer zunehmend volatilen, unsicheren, komplexen und ambivalenten Welt (VUCA) schlagen viele Experten vor, das Konzept der Einkaufsleistung in Unternehmen zu überdenken. Bisher konzentrierte sich die Einkaufsleistung überwiegend auf die kurz- und mittelfristige Perspektive und basierte auf begrenzten Daten.
In Zukunft wird es wichtig sein, andere Dimensionen in die Einkaufsleistung zu integrieren, wie z.B. das globale Risikomanagement und die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen (CSR). Natacha Tréhan, Doktorin, Dozentin und Forscherin mit Schwerpunkt Einkaufsstrategien und Lieferantenmanagement, betont: „Die Herausforderung beschränkt sich nicht allein auf die Erfüllung der neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die Voraussetzungen für einen dauerhaften Erfolg in einer zunehmend unsicheren Welt zu schaffen.“ Es ist vorstellbar, dass Einkaufsabteilungen in Zukunft neue KPIs in Bezug auf Klimawandel, Umweltverschmutzung oder auch Kreislaufwirtschaft einführen werden.
Darüber hinaus müssen bei der Bewertung der Einkaufsleistung die Lieferanten stärker einbezogen werden. Neben der Bewertung des Leistungsniveaus seiner Partner ist es wichtig, beispielsweise auch deren Zufriedenheit zu messen. Das legt den Grundstein für eine konstruktive Geschäftsbeziehung im Sinne einer Win-win-Strategie.
Sie muss außerdem mithilfe der neuesten Technologien umgestaltet werden, um ihre Umsetzung zu vereinfachen. Langfristig geht es darum, die Sammlung, Verarbeitung und Analyse von Daten zu automatisieren. Dies eröffnet die Möglichkeit, ein breites Spektrum an Daten in Echtzeit auszuwerten sowie eingehende Analysen auf verschiedenen Ebenen (Lieferanten, Einkaufsfamilien, Länder, Wertschöpfungsketten usw.) durchzuführen.
Kurzum, die Berechnung der Einkaufsleistung ist unerlässlich, um fundierte Entscheidungen zu treffen, die richtigen Verbesserungsachsen in Gang zu setzen und so der Einkaufsfunktion die nötige Aufmerksamkeit innerhalb des Unternehmens und darüber hinaus zu verschaffen. Vor allem ist es ein wichtiger Schritt, um langfristig zur Widerstandsfähigkeit des Unternehmens und seiner gesamten Lieferkette beizutragen.