Die Kreislaufwirtschaft stößt bei Regierungen, Einzelpersonen sowie Organisationen auf wachsendes Interesse. Dieses Wirtschaftsmodell besticht durch seine Fähigkeit, die ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit miteinander in Einklang zu bringen. Denn es ermöglicht, Ressourcen zu schonen, die Umweltauswirkungen zu verringern, intelligente Einsparungen zu erzielen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dies stellt jedoch einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel für all diese Akteure dar. Daher stellt sich die Frage: Kann die Kreislaufwirtschaft das derzeitige lineare System, welches auf dem Schema „extrahieren – produzieren – konsumieren – wegwerfen“ basiert, vollständig ersetzen? Mit welchen Grenzen sind die Unternehmen konfrontiert? Wie überwinden sie diese? Geoffrey Richard, Direktor für Kreislaufwirtschaft bei Schneider Electric, befasst sich mit diesen Fragen.
Das Europäische Parlament definiert die Kreislaufwirtschaft als „ein Produktions- und Konsummodell, bei dem bestehende Produkte und Materialien so lange wie möglich geteilt, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden, damit sie ihren Wert behalten. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert, um den Verbrauch von Rohstoffen und die Erzeugung von Abfall zu reduzieren.“
Was sind die Grenzen der Kreislaufwirtschaft in Unternehmen?
„Die Grenzen, an die die Kreislaufwirtschaft stößt, gehören zu jeder organisatorischen und/oder strukturellen Veränderung in einem Unternehmen. Dabei handelt es sich um menschliche, finanzielle und technische Hemmnisse. Wenn sie nicht richtig angegangen werden, können sie den zirkulären Übergang, der von den Wirtschaftsakteuren vollzogen wird, verlangsamen oder in Frage stellen“, erklärt Geoffrey Richard.
Die menschlichen Grenzen
Das allererste Hindernis, mit dem ein Unternehmen, welches die Kreislaufwirtschaft einführen will, konfrontiert werden kann, ist die mangelnde Akzeptanz seitens der Mitarbeiter. Per Definition bedeutet jede Veränderung, dass man eine Phase der „Trauer“ durchlaufen muss. Dies löst in Teams oft Emotionen wie Angst, Wut oder Traurigkeit aus, die sich in Widerstand verwandeln können.
Diese Hemmnisse betreffen im Übrigen sowohl die operativen Mitarbeiter als auch das Management. Deshalb ist es unerlässlich, dass jeder Einzelne die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft gut versteht, sich die Vision des Unternehmens zu eigen macht und zu den gemeinsamen Zielen beiträgt.
Die finanziellen Grenzen
In einem zweiten Schritt folgt die Frage nach den finanziellen Hemmnissen. Dabei ist zu beachten, dass lineare Modelle besonders profitabel sind, da sie die negativen externen Effekte ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten nicht berücksichtigen. Bei zirkulären Modellen ist dies nicht der Fall. Daher können sie im Rahmen einer traditionellen Tätigkeit auf den ersten Blick als Kostenstelle erscheinen.
Es ist wichtig, die Stakeholder daran zu erinnern, dass es sich langfristig um eine gewinnbringende Aktivität handelt. Die Einführung eines Kreislaufsystems kann dazu beitragen, sich von der Konkurrenz abzuheben, Marktanteile zu gewinnen oder die Marktkapitalisierung zu steigern. Man muss freilich akzeptieren, dass man investiert, ohne eine sofortige Rentabilität zu haben, sondern erst in der Zukunft.
Die technischen Grenzen
Zu den Grenzen der Kreislaufwirtschaft zählt auch die Technik: Die lineare Wirtschaft ist tief in unserer Industriegesellschaft verwurzelt. Aus diesem Grund kann es für manche Unternehmen komplex sein, ihre Abläufe neu zu organisieren. Darüber hinaus müssen einige Verfahren noch weiterentwickelt werden. Das Beispiel des Recyclings ist besonders anschaulich. Denn nicht jeder Abfall kann recycelt werden, nicht jedes Material kann gerettet werden und die Recyclinganlagen sind nicht völlig ohne Auswirkungen auf die Umwelt.
Schließlich gibt es ein echtes Datenproblem: Die Überwachung der Daten, insbesondere der Daten zu den Umweltauswirkungen (Treibhausgasemissionen, Energie- und Rohstoffverbrauch, Abfallreduzierung usw.), ist sehr komplex. Dabei sind diese Informationen für die Legitimierung des Vorgehens von entscheidender Bedeutung. Und das gilt ebenso für die Zukunft, da die zunehmenden Vorschriften einzuhalten sind.
Wie bewältigen wir die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft?
Glücklicherweise gibt es verschiedene Strategien, um die Grenzen der Kreislaufwirtschaft zu überwinden, ganz gleich, welcher Art sie sind. Einige bewährte Praktiken sind unerlässlich, wie z.B. der Umgang mit Veränderungen oder der Aufbau von Partnerschaften, während andere eher vom jeweiligen Ansatz abhängen.
Den Wandel begleiten
Die menschlichen Grenzen der Kreislaufwirtschaft müssen durch ein solides Veränderungsmanagement angegangen werden. Dies geschieht durch Sensibilisierung, Information und Schulung der Teams. Dann geht es darum, die Kompetenzen aller Mitarbeiter zu erhöhen oder sogar Experten auszubilden, die als Informationsvermittler fungieren. Schließlich geht es darum, jeden Einzelnen zu mobilisieren, sich für diesen Weg einzusetzen.
Variable Vergütung als Hebel zur Mobilisierung
„Bei Schneider Electric wird die Leistung des SSI (Schneider Sustainability Impact) bei der Berechnung der jährlichen variablen Vergütung der mehr als 64.000 Mitarbeiter des Konzerns, einschließlich des Vorstandsvorsitzenden, berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass ihre Variable an die Erreichung unserer Ziele im Bereich der nachhaltigen Entwicklung gekoppelt ist. Dies ist ein Weg, um eine solide Umsetzung der strategischen Prioritäten und eine echte Mobilisierung unserer Mitarbeiter zu gewährleisten“, meint Geoffrey Richard.
Partnerschaften eingehen
Um die Kreislaufwirtschaft Wirklichkeit werden zu lassen, benötigen die Unternehmen eine Vielzahl von Fähigkeiten und Fachkenntnissen. Meistens ist es nicht möglich, ein Kreislaufwirtschaftsprojekt vollständig intern durchzuführen. Daher sollte man sich auf branchennahe Organisationen stützen, die ihren Mehrwert einbringen.
Extern kommunizieren
Wenn ein Unternehmen neue zirkuläre Produkte oder Dienstleistungen einführt, muss es das Thema extern umfassend kommunizieren. Auf diese Weise erzeugt es Nachfrage und kann seine ersten „Schaufensterprojekte“ umsetzen. Dies führt zu neuen Verträgen mit anderen Unternehmen, um die wirtschaftliche Effizienz zu steigern.
Im „Inkubator“-Modus arbeiten
Wenn eine zirkuläre Aktivität das Geschäft beeinflussen könnte, ist es auch möglich, dieses Projekt in einer speziellen Umgebung, in einer Art „Inkubator“, zu isolieren. Dies ermöglicht eine schnelle Iteration mit allen notwendigen Ressourcen. So kann sich ein solches Projekt selbstständig weiterentwickeln und später mithilfe von Prozessen umfassender strukturiert werden.
Kurzum, die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft sind nicht unüberwindbar. Es gibt gezielte Strategien, um diese zu bewältigen und so die Kreislaufwirtschaft dauerhaft in das Ökosystem seines Unternehmens zu implementieren. Es liegt nun an jedem Entscheidungsträger, den Schritt im Dienste der Ökologie zu wagen. Die Kreislaufwirtschaft ist nach wie vor ein hervorragender Hebel, um die ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Unternehmen zu stärken und so zu ihrem langfristigen Wachstum beizutragen.