Immer mehr Unternehmen wollen heute die gesellschaftlichen und ökologischen Belange berücksichtigen. Ihr Ziel ist es, ihr Engagement durch konkrete Ansätze und Maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zu untermauern. Die Einführung einer verantwortungsvollen Beschaffungspolitik ist eine der Lösungen, mit denen Unternehmen ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft verbessern wollen.
Die Einkaufsfunktion ist dabei ein Hebel, der im Rahmen der CSR (Corporate Social Responsibility, deutsch: gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen) angesetzt werden kann. In vielen Fällen ist die Wahl verantwortungsbewusster Produkte für Unternehmen zu einer Notwendigkeit geworden, da alle ihre Stakeholder (Kunden, Partner, Lieferanten, Investoren, Institutionen, Mitarbeiter usw.) stärker auf den Nachhaltigkeitsaspekt der Beschaffung achten.
Diese neuen Standards sollen die Unternehmen dazu anregen, alternative Lösungen zu finden und den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte von Anfang an zu überdenken. Die Einkaufsfunktion wird in dieser Hinsicht immer wichtiger bei der Auswahl der Materialien oder Rohstoffe, welche für die Herstellung der Produkte benötigt werden. Das gilt gleichermaßen für den Dialog mit den Lieferanten und deren Anforderungsniveau.
Ein wachsendes Bewusstsein bei der Einkaufsfunktion
Durch die Auswahl verantwortungsbewusster Produkte nehmen die Einkäufer positiv Einfluss auf die sozialen und ökologischen Herausforderungen wie den Kampf gegen die globale Erwärmung oder das Eintreten für Inklusion und Vielfalt in Unternehmen.
Zwar sind viele dieser Herausforderungen schon seit Jahren bekannt, doch durch die Coronakrise sind sie verstärkt ins Bewusstsein gerückt. Infolgedessen steigt das Anforderungsniveau der Unternehmen in Bezug auf den Nachhaltigkeitsaspekt der Beschaffung. Eher „traditionelle“ Kriterien wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschaffung werden durch neue Bewertungskriterien ergänzt.
Maßnahmen für eine nachhaltige Beschaffung betreffen nicht mehr nur bestimmte Unternehmen. Sie setzen sich immer mehr durch und bieten neue Möglichkeiten für Wachstum und Entwicklung.
So zeigt das alle zwei Jahre von EcoVadis erstellte Barometer für das Jahr 2019 auf, dass 35% der Unternehmen bereits eine verantwortungsvolle Beschaffung eingeführt haben und 42% eine spezielle CSR-Klausel in ihre Verträge aufgenommen haben. 45% der Unternehmen verfügen zudem über Informationen über die sozialen und ökologischen Praktiken der Lieferanten.
Mehr noch: Die Umsetzung einer solchen Strategie der nachhaltigen Beschaffung trägt nach Ansicht vieler Entscheidungsträger dazu bei, dass sie ihren Ansatz neu überdenken und positive Ergebnisse für das Wachstum des Unternehmens erzielen. So glauben 58%, dass diese Strategie zur Risikominderung beiträgt (Einhaltung von Vorschriften), 30% sind der Ansicht, dass sie die Kosten senkt, 24% sehen sie als Quelle für potenzielle Innovationen und 21% meinen, dass sie zur Verbesserung der KPIs beiträgt. Diese Zahlen werden im Barometer für 2021 sicherlich noch weiter nach oben korrigiert werden.
Die Beschleunigung nachhaltiger Beschaffungsmaßnahmen
Heutzutage sind die sozialen und ökologischen Herausforderungen nicht nur einer breiten Öffentlichkeit bekannt, auch die Maßnahmen der Unternehmen werden immer zahlreicher und strukturierter.
Bisher stehen zwei Hauptkomponenten der nachhaltigen Beschaffung im Vordergrund:
Die Einkäufer bevorzugen verantwortungsbewusste Produkte mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen. Zu den angestrebten Vorteilen zählen: Abfallverringerung, Reduzierung von Umweltverschmutzung, Verringerung des Energie- und Wasserverbrauchs, Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG) oder die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft.
Die Einkäufer wählen Produkte unter dem Aspekt der sozialen Verantwortung, mit dem Ziel, die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten oder für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen.
Die strategische Rolle der Einkäufer angesichts neuer sozialer und ökologischer Anforderungen
Die Nachfrage von internen Kunden und Endkunden nach Produkten mit positiven sozialen oder ökologischen Auswirkungen wächst stetig. Die Politik der nachhaltigen Beschaffung ist für Unternehmen von strategischer Bedeutung.
Die Einkäufer sorgen dafür, dass die Auswahl verantwortungsbewusster Produkte mit den vom Unternehmen festgelegten Prioritäten übereinstimmt. Da die CSR-Reifegrade unterschiedlich sind, können einer verantwortungsbewussten Beschaffung unterschiedliche Bedürfnisse zugrunde liegen.
So variieren die CSR-Leistungsindikatoren je nach Sektor, wobei in Europa die Chemiebranche (45,1%) und die Lebensmittelbranche (44,1%) die stärksten Ergebnisse erzielen, während die ITK-Branche (39%) und die Transportbranche (38,4%) laut EcoVadis-Barometer 2019 ins Hintertreffen geraten sind.
Ebenfalls laut dieser Studie nehmen die Maßnahmen der Einkäufer zur Bewältigung dieser neuen Herausforderungen weltweit jedes Jahr zu (in der Reihenfolge ihrer Priorität):
Soziales und Menschenrechte: 49,1% im Jahr 2019 gegenüber 44,2% im Jahr 2015
Umwelt: 47,5% im Jahr 2019 gegenüber 44,1% im Jahr 2015
Ethik: 43,8% im Jahr 2019 gegenüber 39,5% im Jahr 2015
Der Index für verantwortungsbewusste Beschaffung hingegen stagniert. So lag er 2019 bei 37,9%, gegenüber 36,9% im Jahr 2015, nachdem er 2016 mit 38,6% seinen Höchststand erreicht hatte. Die Europäische Union gibt jedoch höhere Punktzahlen für die nachhaltige Beschaffung an: 42,7% bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und 45,1% bei KMU mit Sitz in Europa.
Auch wenn diese verschiedenen Indikatoren auf globaler und insbesondere auf europäischer Ebene insgesamt positiv sind, gibt es immer noch Lücken bei der Umsetzung des CSR-Ansatzes im Beschaffungswesen.
So gelingt es den Einkäufern zwar, genaue Informationen über die Tier-1-Lieferanten zu erhalten (45%), aber bei den Tier-2-Lieferanten sind die Informationen noch unzureichend (nur 23%). Den Einkäufern kommt daher eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht,die Transparenz der Beschaffung weiter zu erhöhen.
Der EcoVadis-Index 2020 für CSR-Leistungen in der Lieferkette zeigt, dass Europa mit einem weltweiten CSR-Index von 51,9% für große Unternehmen und 50,9% für KMU den anderen Kontinenten weit voraus ist. Damit liegt Europa recht deutlich vor Nordamerika, das mit einem Index von „nur“ 43% für große Unternehmen und 45,9% für KMU an zweiter Stelle steht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die nachhaltige Beschaffung für Unternehmen ein Hebel ist, um den Schutz der Umwelt und den sozialen Fortschritt zu fördern. Damit sie jedoch den wachsenden Anforderungen der Öffentlichkeit (Lieferanten, Investoren, Kunden usw.) wirksam begegnen können, haben die Einkäufer die Aufgabe, sie grundlegend und dauerhaft in die CSR-Maßnahmen der Organisation einzubinden. Verantwortungsbewusste Produkte müssen somit nach den spezifischen Bedürfnissen eines Unternehmens ausgewählt werden und entlang der gesamten Lieferkette besondere Beachtung erhalten, um eine kohärente Sozial- und Umweltpolitik aufrechtzuerhalten.