Reparatur von Gebrauchtwaren, Handel mit Secondhand-Bekleidung, Wärmerückgewinnung aus Abwasser… Die Kreislaufwirtschaft ist ein Wirtschaftsmodell, bei dem Güter und Dienstleistungen auf nachhaltige Weise hergestellt werden. Ihr Ziel ist es, die Verschwendung (Rohstoffe, Wasser, Energie) und die Abfallproduktion zu begrenzen, um den ökologischen Wandel zu unterstützen. Das Kreislaufmodell basiert auf einem nachhaltigen Ressourcenmanagement und neuen Produktions- und Verbrauchsformen und steht damit dem linearen „Wegwerfmodell“ gegenüber. Da die Kreislaufwirtschaft in Europa an Boden gewinnt, stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Richtlinien auf strategische Entscheidungen in Unternehmen haben.
EU-Richtlinien: Gleiche Spielregeln für alle
Zuallererst legt die Richtlinien den Grundstein für dieses neue Modell. Dann ist es möglich, eine Vision und einen Maßnahmenplan zu teilen und den Dialog zwischen den verschiedenen Stakeholdern zu eröffnen.
Eine gemeinsame Vision
Durch die Festlegung langfristiger Richtlinien, welche für alle gleich sein müssen, erweisen sich diese als ein echter Gamechanger für den Wandel. Heute zeichnet sich klarer ab, was an Regulierung auf europäischer Ebene erwartet wird.
Im Rahmen des Pariser Abkommens hat sich die Europäische Union verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden, und hat den Grünen Deal ins Leben gerufen. Das EU-Klimagesetz, welches im März 2020 in Kraft getreten ist, hat diese Zusage in eine bindende Verpflichtung umgewandelt und ein Zwischenziel festgelegt: Die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% (im Vergleich zum Stand von 1990).
Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission ihr erstes Maßnahmenpaket vorgeschlagen, um den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in Europa zu beschleunigen. Damit soll die große Mehrheit der Güter auf dem europäischen Markt kreislauforientierter, umweltfreundlicher und energieeffizienter werden.
Das Programm beinhaltet:
Förderung nachhaltiger Produkte;
Erweiterte Herstellerverantwortung;
Harmonisierung der Sammelsysteme;
Verstärkte Nutzung von recycelten Materialien…
Alle Unternehmen müssen ihre Roadmap in diesem Geiste ausarbeiten, um die Ziele zu erreichen und ihre Kohlenstoffemissionen zu reduzieren (Scope 1, 2 und 3).
Bedeutung eines kollaborativen Ansatzes
In diesem Prozess ist der Austausch von entscheidender Bedeutung, um die europäischen Aktionspläne festzulegen und dokumentierte Ausnahmen für bestimmte Produktkategorien zu identifizieren. Die Richtlinien bedeuten, ein echtes Gleichgewicht zwischen mehreren Problemfeldern zu finden, um zu vermeiden, dass durch die Regulierung eines Problems ein zweites entsteht und die Zwänge, für die Lösungen gefunden werden müssen, noch verstärkt werden.
Wie Stéphan Arino, Direktor für Public Affairs in Westeuropa bei Tomra und ein wichtiger Akteur bei der Umsetzung von Vorschriften, erklärt: „Das Wichtigste ist der Dialog. Die Diskussion mit den Interessengruppen, um gemeinsam eine Verpflichtung aufzubauen, ein echtes konstruktives Gesetz. Es hat uns jedes Mal Zeit gekostet, aber am Ende sind daraus Systeme entstanden, die heute robust und langlebig sind.“
Es ist wichtig, alle Herausforderungen und Probleme zu berücksichtigen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich keine ehrgeizigen Ziele setzen sollte, ganz im Gegenteil. Aber es geht darum, realistisch zu bleiben und ein Ziel für 10 oder 20 Jahre zu definieren, welches gut erreicht werden kann, und zwar mit gegenseitigem Respekt.
Richtlinien: Ein echter Hebel für die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft in Europa
In einer linearen Wirtschaft wird abgebaut, produziert und verkauft. Das gesamte Produktions- und Vertriebssystem ist als profitables Modell organisiert. Viele Verhaltensmuster von Unternehmen und Verbrauchern orientieren sich an diesem System und sind daher trotz des Umweltbewusstseins nur schwer zu durchbrechen. Die unmittelbare Folge ist, dass viele Modelle der Kreislaufwirtschaft heute noch nicht rentabel sind oder sich noch in der Testphase befinden. Aus diesem Grund spielt die Regulierung eine Schlüsselrolle, um die Entwicklung dieser umweltfreundlichen Ansätze in Europa voranzutreiben.
Unterstützung vorbildhafter Initiativen
Der Regulierung kommt eine wesentliche Rolle zu, ebenso wie der öffentlichen Hand in Form von Subventionen. Diese Finanzhilfen kurbeln Innovationen an und ziehen eine größere Anzahl von Akteuren an. Es ist ein Weg, das Wirtschaftsmodell von morgen so zu strukturieren, sodass es produktiver wird. Auf den ersten Blick ist die Kreislaufwirtschaft nicht unbedingt die lukrativste Lösung, aber es ist der Gesellschaftsvertrag auf der Ebene jedes Landes (und Europas), der letztendlich darüber entscheidet, was möglich ist und was nicht.
Das durchsetzen, was Sinn macht
Es gibt auch verbindliche Regelungen, die Unsinniges beseitigen. Angesichts des französischen Verbots der Vernichtung unverkaufter Waren führen viele Marken Ausschreibungen durch, um neue Lösungen zu finden, da sie in der Vergangenheit durch einen Dienstleistungsvertrag mit Entsorgungsunternehmen gebunden waren. Ohne dieses Verbot hätte dies noch endlos so weitergehen können. Jetzt bauen diese Akteure ein Netzwerk von verantwortungsbewussten Lieferanten auf, um die Vorschriften umzusetzen.
Nachhaltige Lösungen fördern
Die Richtlinien können auch zu einer Wettbewerbsverzerrung mit positiver Auswirkung auf die umweltfreundliche Lösung führen. Sie können einen Wirtschaftsakteur über die ökologische Überzeugung hinaus dazu zwingen, sich von innen heraus zu verändern, wenn er einen Markt nicht verlieren will. Nach dem Beispiel des Anti-Verschwendungsgesetzes für eine Kreislaufwirtschaft will die Europäische Union das europäische öffentliche Auftragswesen voll und ganz im Sinne der Nachhaltigkeit gestalten. Es geht darum, öffentliche Auftraggeber und Gebietskörperschaften aufzufordern, in nachhaltige Infrastrukturen zu investieren und einer nachhaltigen Beschaffung (nachhaltige Produkte und/oder Produkte aus der Kreislaufwirtschaft) den Vorzug zu geben, um den ökologischen Wandel zu unterstützen.
Eine neue Denkweise vermitteln
Manchmal sind es auch einfach nur die Bezeichnungen, die den Fortschritt verhindern, wie z.B. der Begriff „Abfall“ bei Elektronikerzeugnissen. In der Vergangenheit wurde ein Produkt, sobald es nicht mehr verwendet wurde, als Abfall gelistet. Darüber herrschte allgemeiner Konsens und die Produkte wurden buchhalterisch abgeschrieben. Außerdem war es für die Recycling-Unternehmen ein lukratives Geschäft. Heute legt die Richtlinie 2018/851 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 (zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle) die Hierarchie der Abfallbehandlungsmethoden fest und ermöglicht in bestimmten Fällen eine „Entlassung aus dem Abfallstatus“.
Einen entwicklungsfördernden Rahmen schaffen
Die Regulierung muss schließlich dazu dienen, Gesetzeslücken zu schließen, betont Stéphan Arino: „Wenn man ein Einzelhändler ist und Secondhand-Waren verkauft, wie sieht es dann mit der Haftung für fehlerhafte Produkte aus? Wer überprüft die Produkte, ein Lagerarbeiter oder der Kundendienst? Kann ich sie weiterverkaufen? Wie kann man eine Lebensdauer von 10, 15, 20, 25 Jahren gewährleisten?“ Klare Vorschriften eröffnen ebenfalls Möglichkeiten und ermöglichen es, den Ansätzen der Kreislaufwirtschaft in Europa einen Rahmen zu geben.
Angesichts dieser zahlreichen Gründe scheint es unverzichtbar, dass man sich über die bestehenden und geplanten Regelungen zur Kreislaufwirtschaft in der eigenen Branche auf dem Laufenden hält und diese auch innerhalb jedes Unternehmens umfassend kommuniziert. In fünf oder zehn Jahren kennt ein Unternehmen seinen Geschäftsplan und kann sich vorstellen, diese Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft in seine Entwicklung einzubeziehen.
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